In Unterhosen vor dem Fussball-Star

Ich gebe zu, dass die Titel meiner Geschichten absichtlich darauf abzielen, dass man den Artikel tatsächlich auch liesst. In diesem Falle aber trifft der Titel aber zu und ist weder eine Übetreibung, noch ein reisserischer Aufmacher.

Meine Allerliebste und ich wohnten ein paar Jahre in einer modernen Überbauung am Lothringerkreisel in Basel. Schon beim Einzug sagte uns der Hausmeister: „Chippi wohnt in der Wohnung neben euch!“. Bei „Chippi“ handelte es sich um den Fussball-Profi Scott Chipperfield, der damals in Basel spielte und für die Basler Fussballgemeinde sowas wie Jesus für einen Schwarzkatholen war. Nein! Er war mehr als Jesus und wenn es noch was über „Gott“ gibt, dann war er zehn Stufen darüber. Mindestens. Kurz und gut; er war beliebt, er war bekannt und wurde vergöttert.

Nun wohnten wir also neben dem „lieben Fussball-Gott“, der aber so wie wir alle, ein ziemlich weltliches Leben führte. Gelegentlich trafen wir ihn im Lift oder sprachen kurz mit ihm im Innenhof, wenn er und sein (damals kleiner) Bub – was wohl – Fussball spielten. Er war nicht gerade ein gesprächiger Typ, verstand fast kein Deutsch und sein australisches Englisch war sogar meiner Allerliebsten (die perfekt britisch Englisch spricht) etwas fremd. Er musste aber auch nicht gut sprechen können, sondern wurde fürs Fussballspielen bezahlt. Offenbar auch sehr gut, denn nicht selten fanden rauschende Partys in seiner Wohnung statt, die meist bis in die frühen Morgenstunden dauerten und nicht selten von der Polizei beendet wurden. Das Quartier wollte auch mal schlafen!

Es war Mittwochnachmittag. Meine Allerliebste war in der Stadt Schuhe kaufen. Das tut sie oft. Obwohl der Schuhschrank voll mit Schuhen, sind da irgendwie nie die dabei, die sie gerade braucht. Egal. Solche Dinge darf man als Mann nicht hinterfragen, das wäre so als ob man wissen wollte, warum man 20 Jeans besitzen muss, um dann noch eine 21. zu kaufen. Ich beende hier nun das Thema, denn ich bewege mich auf gefährlichem Terrain… Also: Es war an einem Mittwochnachmittag. Meine Allerliebste wollte was Wichtiges erledigen und ich musste was Wichtiges erledigen: Wohnung putzen! Wenn ich putze – ja es kommt selten vor – aber wenn, dann muss es bequem sein. Ich putze also nicht im Anzug und Schlips, sondern in Unterhosen. Nur Unterhosen. Sonst nichts. OK, ich könnte auch in nichts putzen, aber man verwendet ab und zu auch scharfe Putzmittel und da ist mir mein…also… einfach etwas zu empfindlich. Egal! Bevor Sie sich mich nun nackt putzend vorstellen; ich trug Unterhosen. So modische Shorts aus Feinripp. Schwarz. Ich putze also und liess gerade den Staubsauger im Wohnzimmer seine Arbeit tun, da öffnete sich hinter mir – von mir unbemerkt – die Wohnungstüre. Diese führte die Besucher direkt ins Wohnzimmer mit offener Küchenzeile. Der kleine Sohn des Fussball-Gotts hatte sich in der Haustüre geirrt. Kein Wunder, beide lagen direkt nebeneinander und sahen auch identisch aus. Immernoch nichts ahnend, schob ich den Staubsauger über die Platten und trällerte dazu irgend ein Lied. „Das bisschen Haushalt…“ oder was ähnliches muss es gewesen sein. Erst als ich ein zögerliches „Sorry“ vernahm, drehte ich mich um. Da standen der Fussball-Gott und sein Nachwuchs vor mir und ich vor ihnen; in Unterhosen. In diesem Moment war ich heilfroh, kein FKK-Putzer zu sein und zog etwas verlegen den Feinripp aus den Pobacken. „Chippi“ sah mich an und lächelte etwas beschähmt, so als wäre ihm gerade zwei Meter vor dem Tor der Ball vom Fuss geflutscht. Sein „Mini-Me“ schien auch gerade etwas irritiert zu sein und ich brachte lediglich ein „oha, wrong Door…“ über die Lippen. Der Fussball-Gott schob sich und seinen Sohn aus dem gegnerischen Strafraum in die eigene Hälfte zurück und schloss die Tür. Da stand ich nun, im Feinripp und mit Staubsauger und wusste nicht so recht, ob mein Anblick bei „Chippi’s“ Nachfolger nun ein jahrelanges Trauma ausgelöst hatte.

Seit dem putze ich nur noch mit verschlossener Türe und trage eine kurze Hose und ein T-Shirt. Ein paar Wochen später zog der Fussball-Gott aus und ich konnte ihn nie fragen, was der wahre Grund für seinen Wegzug war. Vermutlich, weil sein Vertrag in Basel nicht verlängert wurde. Vielleicht aber auch, weil sein Kind seit unserer Begegnung an Albträumen litt?

Eigentlich will ich es gar nicht wissen. Seit diesem Erlebnis sehe ich den Fussball-Gott wie er mit seinem Sohn vor mir steht, immer wenn meine Allerliebste zu mir sagt: „Heute Abend kommt Fussball, schauen wir?“ Vermutlich hat „Chippi’s“ Sohn längst schon alles vergessen und ich bin derjenige mit dem langjährigen Trauma.

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