Hö?

Basel ist beliebt. Vor allem die Basler lieben ihre Stadt. Wenn man fragt, was Basel denn für sie so unwiederstehlich macht, wird meist der Rhein, der Humor, die Fasnacht und die offene Art der Baslerinnen und Basler genannt. OK. Der Rhein fliesst auch durch andere schöne Städte, die Fasnacht hat nun zweimal hintereinander nicht stattgefunden und wenn man Zeuge von humorlosen Unterhaltungen wird, die sich um den hohen Ausländeranteil Basels drehen, weiss ich nicht genau, welche Offenheit da wirklich gemeint ist. Basel sei offen. Die Läden schliessen aber auch irgendwann und immer mehr Ladenlokale bleiben dauerhaft zu. Für mich hat die Attraktivität der eigenen Stadt in den letzten paar Jahren – ob mit oder ohne Virus – drastisch abgenommen. In etwa so, wie wenn man mir heute zwei Packungen Kondome zum Preis von einer anbieten würde. Basel hat sich gehen lassen. Wer sich regelmässig und zu unterschiedlichsten Zeiten in der Stadt bewegt, dem fällt auf, wo die Zipperlein Basels zu finden sind. Mangelnde Hygiene! Viel Dreck, viele Scherben und übervolle, stinkende Abfalleimer, die oft tagelang daran erinnern, dass die Stadtreiniger nicht jeden Tag hier vorbei schauen. Dann die unzähligen Baustellen. Kaum eine Strasse, die nicht von rot-weissen Baulatten dekoriert ist. Der Lärm von Baggern, Presslufthämmern und lauten Baumaschinen hat schon längst den sonst so üblichen Stadtsoundtrack mit Strassenmusik und Stimmengewirr verdrängt und übertönt. „So schlimm ist das nun auch nicht“. Solchen Sprüchen bedienen sich hauptsächlich Menschen, die nur zu gewissen Tageszeiten die Stadt bevölkern. Vor allem dann, wenn die Putzmaschinen und Strassenwischer bereits weitergezogen sind, oder wenn man sich während der Mittagspausen der Bauarbeiter ins Strassencafé setzt. Dann ist die Stadt für eine Stunde wieder das Basel, das ich mir zurück wünsche.

Wer sich auch keinen Deut um den allgemeinen Zustand unserer Stadt schert, sind die Tagestouristen. Das ist auch gut so! Ich mag diese kleinen Gruppen – meist Seniorinnen und Senioren – die unsere Stadt entdecken. Sie nehmen Basel so wie es ist und kümmern sich nicht darum, wie es einmal war, wie es vielleicht mal sein wird und ob das was sie da gerade antreffen besser oder schlechter ist. Basel ist für die Tagestouristen so wie es ist. Punkt. Da ich mich, aus wohngeografischen Gründen oft am Münsterplatz aufhalte, begegne ich täglich Tagestouristen. Da ich meist in Begleitung meiner beiden Mops-Damen bin, werde ich täglich wegen diesen angesprochen. So auch vorgestern. Eine Dame in Wanderschuhen, ausgebleichten Wanderhosen, mit Wanderrucksack und einer Dauerwelle, bei deren Anblick ich eine Zeitreise zurück in die 90-er Jahre machte, sprach mich an: „Sie sagen sie, wo finden wir die Innenstadt?“. Hätte sie mich nach dem Weg zum Matterhorn gefragt, hätte ich das auf Grund ihrer Garderobe nachvollziehen können. Sie fragte aber nach der Innenstadt. In Hochdeutsch. Ein Schweizer Hochdeutsch, das so klang, als ob da eine Emmenthalerin 40 Jahre in ihrer Alphütte eingeschlossen war und nun zum ersten Mal wieder einen Menschen trifft. Offenbar schaute ich sie dementsprechend an, denn sie wiederholte ihre Frage und gab sich dabei Mühe, noch etwas langsamer zu sprechen. Da die Basler den Ruf haben offen zu sein, gab ich ihr selbstverständlich offen und ehrlich Auskunft und beschrieb der Gruppe den schönsten Weg zum Herzen der Stadt. Natürlich auf Baseldeutsch. Sie bedankte sich – in ihrer Version eines Hochdeutschs – und wiederholte meine Wegbeschreibung in breitem Berndeutsch ihren Mitwanderern. Da wurde ich neugierig. „Dürfte ich sie fragen, weshalb sie gerade mit mir Hochdeutsch sprechen, obschon sie ja – wie es scheint – aus dem Kanton Bern sind?“ Verdutzt blickte sie mich an. Wieder in Hochdeutsch gab sie Antwort und erklärte, dass sie bisher glaubten, dass wir Basler keine anderen Schweizer Dialekte verstehen würden. „Verstehen sie die Berner?“, fragte sie und schaute mich dabei an, als ob sie gerade fragen würde: „Elvis lebt?“. Humorvoll – so wie wir Basler ja offenbar sind – gab ich zurück: „Ja ich verstehe die Berner, aber begreife sie nicht…!“ Sie begriff auch nicht und zog mit ihrer Wandergruppe weiter, den Münsterberg hinunter.

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