Toiletten-Gespräche

Nein, ich gehöre definitiv nicht zu den Menschen, die auf der Toilette lange Telefongespräche abhalten. Ebenso mag ich keine Konversationen zwischen zwei Schüsseln, durch die Trennwand hindurch. Der Toilettengang ist für mich etwas, was nur mich angeht und keiner daran teilhaben muss.

Offensichtlich werde ich alt, denn die jüngere Generation scheint da weniger „bünzlihaft“ zu sein.

Auf dem Münsterplatz gibt es eine selbstreinigende Chromstahl-Toilette. Türe auf. Türe zu. Die Sitzung kann beginnen. Danach verlässt man seine Einzelzelle und das Teil reinigt sich von alleine. Letztes Jahr habe ich beobachtet, wie ein Tourist währen der Reinigung vergeblich versuchte, in die Toilette zu kommen. Ich vermutete, er habe grossen Drang bis ich sah, dass er seinen Fotoapparat in der Toilette vergessen hatte. Nach seinem Gesicht zu schliessen, fand er das ziemlich „verschissen“, obwohl der Apparat – so wie er tropfte – sehr sauber geworden war.

So etwas erlebte ich nun länger nicht mehr. Allerdings passiert es immer häufiger, dass aus der Toiletten-Kabine Stimmen und laute Lacher zu hören sind. Oft sind es Stimmen von mehreren Menschen.

Obschon ich mich nicht zu den neugierigsten Menschen zähle wollte ich irgendwann wissen, was darin vorgeht und blieb, mit etwas Sicherheitsabstand, stehen und behielt den Chromstahl-Container im Blick.

Auf einmal öffnete sich die Türe und es traten fünf Mädchen auf den Platz. Wohlgemerkt: die Toilette bietet eine Schüssel, aber wie es scheint genug Platz für eine halbe Fussballmannschaft…Frauschafft. Ein anderes Mal hörte ich Gesang aus der Toilette und wenig später verliessen vier Frauen das eigentliche stille Örtchen, das zunehmend lauter wird.

Aus reiner Neugierde betrat ich unlängst diese Toilette und schloss die Türe hinter mir. Was ich da antraf war wenig spektakulär. Ein ungemütlicher Zweckraum mit leicht zu reinigenden Oberflächen und einem Raumgeruch, den ich spontan zwischen verstorbenem Fisch und alten Turnschuhen einordnen würde. Genau genommen roch es nach einem toten Fisch mit abgestorbenen Turnschuhen. Warum man in einem solchen WC Dinge tut, die vom Erfinder hier nicht vorgesehen waren, tut, ist mir schleierhaft. Aber eben; vielleicht bin ich zu alt, um dies zu begreifen. Daher entschloss ich mich, einfach das nächste Mal zu fragen, wenn es aus der Toilette lacht, singt, oder grölt.

Gestern war es soweit. In der Toilette war gerade Hochstimmung und sie spuckte wenig später sechs Jugendliche – Buben und Mädchen zwischen 14 und 16 Jahre – aus. Ich trat auf einen zu und fragte unverblümt: „Warum geht ihr in der Gruppe auf die Toilette?“ Der Junge schaute mich an und er wirkte, als ob er gerade von einem Alien angesprochen worden war. Offensichtlich verstand er meine Frage nicht. Ich bemerkte, dass er sich nervte und er sagte knapp: „Wir besammeln uns hier und chillen!“

Chillen. Ach so. Ja. OK. Ich konnte darauf nichts sagen und ging wortlos weiter. Bisher war für mich die Toilette ein Ort den ich nicht mit Chillen, sondern vielmehr mit „Pressen“, „Erleichtern“ oder „Erlösen“ verbunden habe.

Als ich zu Hause dann zu meiner Frau sagte, ich müsse noch kurz chillen und auf die Toilette ging, hatte sie den selben Blick wie der Jugendliche als ich ihn angesprochen hatte.

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