Es ist alt. Sehr alt. Genau 1002 Jahre hat es auf dem Buckel – auf dem Münster-Buckel; das Basler Münster. Jedes Mal wenn ich daran vorbei schreite, blicke ich hoch zu den beiden Türmen und denke: „Vor über 1000 Jahren haben sie den selben Himmel gesehen wie ich heute. Wahnsinn!“
Mächtig dieser Sandsteinbau und robust. Im Jahre 1356 beim grossen Erdbeben hielten nur zwei Türme von fünf stand – aber sie trotzten der Erschütterung.
Auch heute bebt das Münster gelegentlich. Es sind keine Nachbeben, sondern die Frequenzen der mächtigen Kirchenorgel, wenn diese ihre Luft durch die Pfeifen presst. Nicht selten, wenn ich spät am Abend nach Hause komme und über den menschenleeren Münsterplatz laufe, höre ich sie schon von Weitem. Ihre mächtigen Akkorde, die tiefen Bässe und die wunderbaren Melodien begleiten mich von der Augustinergasse bis zum Münsterberg. Oft bleibe ich auch einfach vor dem Hauptportal des Münsters stehen und höre der Orgel zu. Als ich frisch in die Innenstadt zog, erschrak ich, als ich morgens um fünf die Kirchenorgel hörte. Dann erklärte mir mal jemand, dass die Musiker irgendwann üben müssen und dass dies zu Randzeiten am besten möglich sei.
Vor ein paar Tagen war wieder Üben angesagt. Die Orgel, so schien mir, war noch nie derart laut. Vermutlich hat die Organistin oder der Organist alle Register gezogen, die zur Verfügung stehen. Traumhaft diese Kraft. Mächtig diese Stimmung. Ehrfürchtig dieser Klang. Ich stellte mir den Organisten vor, wie er kraftvoll und mit verschwitzten Haaren die Tasten bearbeitet, wie seine besockten Füsse wild über die Fusstasten tänzelten. Ich sah ihn direkt vor mir, wie sein mächtiger Oberkörper rasch nach vorne und zurück pendelte und wie sein Blick, fast wie in Trance, vom Notenblatt auf die tasten und zurück wechselte. Ich dachte mir, dass jemand der so Orgel spielt schon viel Lebenserfahrung haben muss und durchtrainiert sein sollte.
Irgendwann verstummte die Orgel. Ich stand jedoch noch immer da. Im Sandstein des Münsters schien das Dröhnen der Orgel noch nachzuhallen. Ich begab mich auf den Heimweg. Neben dem Hauptportal öffnete sich plötzlich eine Türe und eine Frau kam raus. Eher schmächtig, klein, dünn und in T-Shirt und kurzen Hosen. Eine Passantin ging auch gerade über den Münsterplatz, sah die Frau und rief ihr zu: „Schluss mit Üben?“ Die kurzbehoste Frau drehte sich um und gab zurück: „Ja, jetzt kann ich’s. Am Sonntag will ich es spielen!“
Seither, wenn ich kleine, zierliche Damen antreffe denke ich immer, dass dies vielleicht eine Kirchen-Organistin ist. Und ich weiss nun, dass diese den Ton angeben können.
Kommentar verfassen